Das hat es in der Geschichte des Deutschen Bundestags noch nie gegeben: Am Dienstag (18.03) wird das Parlament über einen Gesetzentwurf abstimmen, der in den kommenden Jahren eine nie gekannte Schuldenaufnahme für den militärischen Bereich, für die zivile Infrastruktur und den Klimaschutz möglich machen soll. Außerdem sollen die 16 Bundesländer zukünftig in begrenztem Rahmen Schulden machen dürfen.
Der Gesetzentwurf stammt von CDU/CSU und SPD, die nach der Bundestagswahl eine neue Bundesregierung bilden wollen, und Friedrich Merz (CDU), der Kanzler werden will. Für eine Mehrheit im Parlament brauchen die drei Parteien allerdings die Grünen, die künftig in der Opposition sein werden. Nachdem sich die vier Parteien in harten Verhandlungen geeinigt haben, hat der Haushaltsausschuss des Bundestags am Sonntag (16.03.) beschlossen, dem Parlament die Annahme des Gesetzentwurfs zu empfehlen.
Das ist im Detail geplant:
Lockerung der Schuldenbremse
Das Grundgesetz schreibt vor, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er auch einnimmt. Während die Schuldenbremse für die 16 Bundesländer strikt gilt, hat der Bund die Möglichkeit, dennoch in einem bestimmten Rahmen Kredite aufnehmen zu dürfen - bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der jährlichen Wirtschaftsleistung.
1. "Whatever it takes" für Militärausgaben
Für Ausgaben, die für die Verteidigung des Landes nötig sind, wird die Schuldenbremse praktisch ausgehebelt. In der Beschlussvorlage für den Bundestag steht, dass Mittel für die Bundeswehr, aber auch "Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten" zukünftig auch über Kredite finanziert werden dürfen. Darunter fällt auch die Militärhilfe an die Ukraine, die für 2025 mit vier Milliarden Euro geplant ist und zu der wohl demnächst weitere drei Milliarden Euro hinzukommen.
Die Neuregelung gilt für alle Kosten, die ein Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) übersteigen. Wenn man sich an der 2024 erzielten Wirtschaftsleistung orientiert, entspricht ein Prozent des BIP rund 43 Milliarden Euro. Alles, was darüber nötig ist, soll künftig keiner Kredit-Deckelung mehr unterliegen. Der CDU-Chef und voraussichtlich künftige deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz umschrieb die Bedeutung dieser Regelung mit den Worten: "Whatever it takes!" - Was auch immer nötig ist.

2. Kredite für die Bundesländer
Das strikte Verschuldungsverbot für die Länder soll gelockert und an den Bund angepasst werden. Alle Länder zusammen dürfen dann neue Schulden in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des BIP machen. Die Aufteilung der jeweiligen Summen soll ein Bundesgesetz regeln, das noch ausgearbeitet werden muss.
Ein Problem ist, dass die Bundesländer die neue Regelung in ihren jeweiligen Landesverfassungen ändern müssten. Dafür gibt es in den meisten Landesparlamenten aber keine Mehrheit. Ein Weg, um die Änderungen dennoch möglich zu machen, wäre eine Grundgesetzänderung, die gleichzeitig Landesrecht aufhebt. Allerdings wäre das ein schwerer Eingriff in den Föderalismus in Deutschland.
Sondervermögen für die Infrastruktur
Deutschland hat große Probleme mit seiner Infrastruktur. Straßen, Brücken und Schienenwege sind über Jahrzehnte verschlissen worden, ohne sich um den Erhalt zu kümmern. Modernisierungsbedarf gibt es auch bei der Energie- und Wasserversorgung, der Telekommunikation, bei Schulen, Universitäten und Krankenhäusern. Die Digitalisierung des Landes hinkt hinterher. Der Um- und Ausbau der klimaneutralen Energieinfrastruktur ist noch lange nicht abgeschlossen.

1. Grundgesetzänderung für Investitionen
Das Grundgesetz bekommt mit Artikel 143h einen Zusatz, in dem festgelegt wird, dass in den kommen zwölf Jahren 500 Milliarden Euro Schulden für Investitionen in die Infrastruktur aufgenommen werden dürfen. Der Betrag wird aufgeteilt: 100 Milliarden Euro sollen die Bundesländer für ihre Infrastruktur verwenden, 300 Milliarden hat der Bund zur Verfügung. Die verbleibenden 100 Milliarden Euro sind für den Klimaschutz vorgesehen. Im Gesetzentwurf ist von "zusätzlichen Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" die Rede.
2. Gebot der Zusätzlichkeit
Das Geld soll zusätzlich zu den ohnehin geplanten Investitionen fließen. Um das sicherzustellen, wird vorausgesetzt, dass im normalen Bundeshaushalt künftig mindestens zehn Prozent des Gesamtetats für Investitionen eingeplant werden müssen. Orientiert am Haushalt 2024 wären das rund 47 Milliarden Euro gewesen. Nur Bedarfe, die darüber hinaus gehen, dürfen aus dem kreditfinanzierten Sondertopf kommen.
Das Schuldenpaket hat Kritiker
Die in Teilen rechtsextreme AfD und die Linkspartei sind aus unterschiedlichen Gründen gegen das Schuldenpaket. Zusammen haben die beiden Parteien im neuen Bundestag mehr als ein Drittel der Mandate.
1. Abstimmung im "alten" Bundestag
Änderungen am Grundgesetz sind nur möglich, wenn mindestens zwei Drittel der Abgeordneten im Bundestag zustimmen. AfD und Linke könnten das Schuldenpaket nach der gerade erfolgten Bundestagswahl 2025 also blockieren. Union und SPD haben ihren Gesetzentwurf daher im "alten" Bundestag eingebracht, wo sie mit den Grünen noch mehr als zwei Drittel der Mandate haben. Der amtiert noch bis zum 25. März, dann wird das neue Parlament sich konstituieren. AfD und Linkspartei haben versucht, die Abstimmung im alten Bundestag zu verhindern, sind vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihren Klagen aber gescheitert.

2. Finanzielle Folgen des Schuldenpakets
Ökonomen warnen vor gravierenden Folgen auf den Finanzmärkten, sollte Deutschland fast eine Billion Euro neue Schulden machen. Lars Feld, Professor am Freiburger Walter-Eucken-Institut, geht davon aus, dass sich die deutsche Staatsverschuldung von aktuell rund 62 Prozent auf 90 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung in zehn Jahren erhöhen wird. Dies hätte zusätzliche Zinsausgaben zwischen 250 und 400 Milliarden Euro zur Folge, je nach der Entwicklung des Zinssatzes für Staatsanleihen, sagte Feld in einer Anhörung des Haushaltsauschusses im Bundestag. Die internationalen Anleihenmärkte seien schon nervös geworden.
Veronika Grimm, Professorin an der Technischen Universität Nürnberg, sieht eine "Herausforderung für die Stabilität in Europa", wie sie ebenfalls im Haushaltsausschuss sagte. Wenn die Zinsen für deutsche Staatsanleihen stiegen, dann lasse das die Zinsen für bereits hoch verschuldete Länder wie Italien und Spanien in Bereiche steigen, die für diese Länder kaum noch zu bedienen seien. Grimm warnte, dadurch werde die "Vulnerabilität in der Eurozone" wieder steigen.


